EIN OHRWURM IM GEFÄNGNIS
Wie ein Schuhkartongeschenk Temo in den dunkelsten Stunden Trost und Liebe spendete
In den „dunklen 90er Jahren“ aufgewachsen, hatte Temo keine leichte Kindheit. Nach dem Zerfall der Sowjetunion stürzte Georgien in eine tiefe Krise. Das Land kämpfte nicht nur mit den Folgen eines Bürgerkriegs, sondern auch mit einer rasch ansteigenden Kriminalität und einer kollabierenden Wirtschaft. Es war eine Zeit geprägt von großer Unsicherheit und Härte.
Temo erinnert sich besonders an die buchstäblich düsteren Tage, als die Energieversorgung nicht mehr funktionierte und Stromausfälle zum Alltag gehörten. Durch die Hyperinflation büßte die georgische Währung rapide an Wert ein und viele Menschen verloren ihre Ersparnisse und fanden sich in bitterer Armut wieder. So auch Temos Familie.
Zusammen mit seiner Schwester lebte er bei seiner Großmutter und Tante. Seine Eltern waren getrennt, seine Mutter arbeitete sehr viel und sein Vater saß die meiste Zeit im Gefängnis. So wurden beide Kinder oft hin- und hergereicht und einen sicheren Platz, an dem er Geborgenheit und Halt finden konnte, gab es für Temo nicht.
„Was mir damals gefehlt hat, war Liebe.“
Heute fällt es Temo schwer, sich an Details dieser schwierigen Zeit zu erinnern. Zu schmerzhaft waren einige Erfahrungen. Was ihm jedoch jedoch gut im Gedächtnis geblieben ist, ist eine Einladung seiner Großmutter zu einer Veranstaltung in einer Kirchengemeinde.
Trotz seiner Skepsis ihrem Glauben gegenüber ging der damals 13-Jährige mit seiner Schwester hin. Er erinnert sich noch genau an den vollen Raum, in dem sie sich wiederfanden. Ohne zu wissen, warum sie überhaupt dort waren, beobachtete er die Menschen um sich herum – alle schienen so freundlich und lächelten die ganze Zeit. Es war eine seltsame, ungewohnte Atmosphäre für den Jungen, der bislang nur wenig Herzlichkeit erlebt hatte.
Temo und seine Schwester setzten sich gespannt in die hintere Reihe, unsicher was sie erwarten würde. Im Laufe der Veranstaltung fragte sie jemand plötzlich: „Möchtet ihr ein Geschenk haben?“ Diese Frage traf Temo unerwartet und er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. In seinem Leben hatte er nur selten Geschenke bekommen. Wenn, dann waren es meist praktische Dinge wie ein T-Shirt oder Stifte, die er für die Schule brauchte. Aber keine Spielzeuge.
Und wie besonders war dann der Moment, als er seinen Schuhkarton öffnete. Worauf er da blickte, war nicht nur ein Geschenk, sondern gleich mehrere: Ein Yoyo, Malbücher, Stifte. Doch ein Gegenstand hatte es in sich. Dieser sollte in seinem späteren Leben eine große Rolle spielen. Doch das wusste Temo damals noch nicht. Es war ein weißes Spielzeuglämmchen, das eine Melodie abspielte. Am unteren Ende des Spielzeugs stand ein englischer Text, den Temo als Kind noch nicht verstand. Es war der Titel des Songs „Jesus loves me, this I know“ (dt. Jesus liebt mich, ganz gewiss).
Seine Schwester erhielt genau das gleiche Geschenk und Temo erinnert sich daran, dass sie beide in den folgenden Wochen immer wieder diese Melodie anhörten. Sie konnten, aufgrund der häufigen Stromausfälle, weder fernsehen noch Musik hören und das Lämmchen war die einzige Musikquelle, die sie hatten.
Die Jahre gingen ins Land und das Erlebnis geriet in Vergessenheit, so auch das Geschenk. Auf der Suche nach Anerkennung, ließ Temo sich auf die falschen Freunde ein, verbrachte viel Zeit auf der Straße und verstrickte sich in kriminelle Machenschaften. Zuhause sah man ihn kaum noch, seinen Schulabschluss schaffte er nur mit Mühe.
„Mein Motto war es, stärker zu sein als die Welt um mich herum – um zu überleben.“
Trost in dunkelsten Stunden
„Ich hatte dort eine sehr harte Zeit und kämpfte viel mit mir selbst. In dieser Umgebung war es wirklich schwer, menschlich zu bleiben und nicht zu jemand noch Schlimmeren zu werden“, berichtet Temo.
Was ihm in dieser Zeit wirklich geholfen hat, waren die glücklichen Erinnerungen aus seiner Kindheit. Und eine andere Sache, die er niemals vergessen wird. Er erzählt, dass im Gefängnis immer wieder eine Melodie in seinem Kopf auftauchte, ihn regelrecht verfolgte. Und unerklärlicherweise schenkte sie ihm Trost und Zuversicht.
Zuerst konnte er es nicht einordnen, doch dann schlich sich eine vage Erinnerung in sein Gedächtnis. Könnte es wirklich die Melodie des Spielzeugs sein, das er vor vielen Jahren in seinem Schuhkarton gefunden hatte?
Sobald er aus dem Gefängnis entlassen wurde, machte er sich auf zum Haus seiner Großmutter und fand dort im Bücherregal tatsächlich das Plastiklämmchen, das ihm damals so viel bedeutet hatte. Als er es umdrehte, sah er die Aufschrift „Jesus loves me, this I know“. Dieses Mal verstand er es.
Da Temo zu dieser Zeit arbeitslos war und nichts mit seiner Zeit anzufangen wusste, beschloss er seine Frau zum Gottesdienst zu begleiten. Und was aus reiner Langeweile begann, veränderte sein Leben für immer. Er lernte dort, dass Jesus Christus die einzige Hoffnung ist und diese Wahrheit traf ihn sofort ins Herz. Er beschloss, Gott sein Leben zu schenken und fing an, ihm mit seiner Zeit zu dienen.
Die Zeit auf der Straße, die kriminellen Machenschaften – all das konnte er befreit hinter sich lassen.
Seit 2017 arbeitet Temo ehrenamtlich für „Weihnachten im Schuhkarton“. Und das macht er mit viel Liebe und Leidenschaft. Davon konnten wir uns Anfang des Jahres bei unserer Reise nach Georgien selbst überzeugen. Inzwischen koordiniert er die Geschenkaktion für den gesamtem zentralasiatischen Raum.
„Ich habe das große Privileg zu sehen, was Gott durch diese Schuhkartons in Georgien tut und es macht mich glücklich.“
Temo will, dass alle Kinder die Liebe Gottes erfahren, wie er selbst sie als Kind erfahren hat. Er ermutigt jeden einzelnen Päckchenpacker im deutschsprachigen Raum, weiter Schuhkartons zu packen.
Auf die schwierigste Zeit in seinem Leben blickt er heute zurück und ist sich sicher: „Damals war es für mich nur eine Melodie, doch in Wirklichkeit war es die Stimme Jesu, die mich die ganze Zeit gerufen hatte.“
Mit seinem Plastiklämmchen spielen inzwischen seine eigenen Kinder. So erinnert Gott über mehrere Generationen hinweg seine Schäfchen an seine Liebe.
Temos Geschichte zeigt, dass ein einzelnes Geschenk eine nachhaltige Wirkung haben kann. Wer weiß, welche Geschichte dein Geschenk im Leben eines Kindes schreiben wird? Finde es heraus.
Packe auch du einen Schuhkarton, voll mit Geschenken, die Liebe und Wertschätzung ausdrücken, und überlass es Gott, etwas Großes draus zu machen!
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