„ES WAR MEIN ERSTES GESCHENK ÜBERHAUPT“
Natasha war neun Jahre alt, als sie ihren Schuhkarton in einem Waisenhaus in Weißrussland (Belarus) erhielt. Für das junge Mädchen mit Behinderung war dieser Schuhkarton und die damit verbundene Botschaft etwas, was ihr ganzes Leben verändern würde. Hier erzählt sie ihre Geschichte.
Eine schwere Kindheit
Ich wurde drei Jahre nach dem Unfall von Tschernobyl 1986 geboren, bei dem radioaktives Material in der westlichen Sowjetunion und in Europa freigesetzt wurde. Aufgrund der Strahlung wurde ich mit einem kurzen Hals geboren. Ich war die einzige in meiner fünfköpfigen Familie, die von der Katastrophe betroffen war.
Meine Mutter und mein Vater arbeiteten lange Stunden in einer Reifenfabrik, wo sie Reifen für Busse und andere Fahrzeuge herstellten. Meine Großmutter lebte bei uns und kümmerte sich um mich und meinen jüngeren Bruder, seit ich geboren wurde und bis ich in die erste Klasse kam.
Als ich fünf Jahre alt war, stellten die Ärzte fest, dass ich ein Loch im Gaumen hatte. Als ich an dieser inneren Gaumenspalte operiert wurde, war ich so lange krank, dass ich den Kindergarten wiederholen musste.
Im folgenden Jahr entschieden sich meine Eltern schweren Herzens, mich in ein Waisenhaus zu geben, damit ich dort eine gute Schulbildung erhalten konnte. Sie wussten, wie wichtig Bildung war und nahmen dieses Opfer in Kauf. Doch für mich war es schrecklich – vor allem das erste Jahr. Alles, was ich wirklich wollte, war zu Hause bei meiner Familie zu sein. Ich war deprimiert und wollte nicht dort sein. Ich hatte das Gefühl, dass die Welt um mich herum zusammenbricht.
Eine unerwartete Überraschung
Mitte Dezember, in meinem zweiten Jahr im Waisenhaus, erhielt meine Schule wunderschöne, bunte Schuhkartons von „Weihnachten im Schuhkarton“ (international: Operation Christmas Child).
Ich wartete, während meine Mitschüler ihre Kartons genommen hatte, bevor ich den letzten abholte. Es war nicht nur mein erstes Weihnachtsgeschenk – es war mein erstes Geschenk überhaupt. Als ich es in der Hand hielt, empfand ich eine solche Freude und Liebe in meinem Herzen, wie ich sie noch nie zuvor empfunden hatte. Ich wusste, dass es da draußen Menschen gab, die sich um mich sorgten. Ich war nicht allein. Ich war aus einem bestimmten Grund hier. Aber ich ahnte nicht, dass dieser Karton einmal mein Leben verändern würde.
Das erste, was ich in meinem Karton fand, war eine Dose gebackene Bohnen. (Inzwischen sind Lebensmittel allerdings nicht mehr in Schuhkartons erlaubt.). Ich wusste nicht, was es war, aber meine Lehrerin sagte mir, dass es sich um ein Lebensmittel handelte.
Während meine ganze Klasse herumlief, um zu sehen, was die anderen bekamen, stand ich einfach nur staunend an einer Stelle. Neben meinen gebackenen Bohnen befanden sich in meinem Schuhkarton u. a. eine Puppe, ein Malbuch, Buntstifte und Haarspangen. Ich brauchte eine Minute, um das alles zu begreifen. Durch die Geschenke in meinem Schuhkarton wusste ich, dass die Reise für mich im Waisenhaus noch nicht zu Ende war. Es gab mehr im Leben als das, was ich erlebt hatte. Wir waren nicht vergessen. Wir wurden immer noch geliebt.
Später am Abend teilten sich alle sieben Kinder meiner Klasse die Dose mit den gebackenen Bohnen. Alle liebten sie, nur ich nicht! Ich dachte, es sei das Schlimmste, was ich je gegessen hatte.
Als ich weiter in meinem Schuhkarton stöberte, stieß ich auf ein kleines buntes Büchlein in englischer Sprache. Ich verstand es nicht, aber ich wusste, dass es wertvoll war, weil es in meinem Geschenkkarton war. Ich steckte es einfach wieder in meinen Schuhkarton und bewahrte es auf. (Hinweis: Für Päckchen aus dem deutschsprachigen Raum ist Literatur inzwischen nicht mehr gestattet).
Reisen, die eine neue Welt eröffnen
In den folgenden vier Sommern, nachdem ich meinen Schuhkarton bekommen hatte, erhielt ich die Möglichkeit, in die Vereinigten Staaten zu reisen, um medizinische Hilfe zu erhalten und der Strahlung zu entkommen. In diesen Jahren begann ich Englisch zu lernen und kam zum ersten Mal mit der Kirche und der Bibel in Berührung.
Nach zwei kurzen Aufenthalten in den USA lernte ich genug Englisch, um zu meinem Schuhkarton zurückzukehren, das Heftchen herauszuholen und es zu lesen. In ihm las ich von Jesus und dass er einen Plan für mein Leben hatte.
In meinem dritten Sommer in den USA besuchte ich einen Kurs in einer Kirche, in dem ich das Evangelium in meiner eigenen Sprache hörte.
Im nächsten Sommer nahm ich an einer Ferienbibelschule teil und entschied mich dort Jesus nachzufolgen. Ich bin so dankbar, dass ich durch das Büchlein in meinem Schuhkarton und die Liebe, die ich von meiner amerikanischen Gastfamilie erhielt, zu ihm hingezogen wurde.
Inzwischen lebe ich in den Vereinigten Staaten und habe vor kurzem mein Studium mit einem Master in Betriebswirtschaft abgeschlossen. Ich bete und hoffe, dass ich einen Job finde, der sich nicht nur auf die Wirtschaft konzentriert, sondern mir auch die Möglichkeit gibt, missionarisch tätig zu sein und anderen von Jesus zu erzählen.
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