11. AUGUST 2023 | LETTLAND
Seit zehn Jahren lebt Sabine in Deutschland. Ihr Deutsch ist ausgezeichnet und sie sagt selber: „Berlin ist mein Zuhause“. Und hier hat sie auch Mitarbeiter von „Weihnachten im Schuhkarton“ getroffen – die Aktion, durch die sie selber vor rund 17 Jahren beschenkt worden ist.
Eine schöne Kindheit
Geboren und aufgewachsen ist Sabine in Lettland. „Ich hatte eine schöne Kindheit“, erinnert sie sich, auch wenn ihr Leben bald eine Wende nimmt. Ihre Mutter arbeitet als Buchhalterin für die Kirchengemeinde, zu der die Familie gehört. Ihr Vater hat Schwierigkeiten auf dem lettischen Arbeitsmarkt Arbeit zu finden.
Irgendwann weiß er sich nicht anders zu helfen und beginnt in Deutschland zu arbeiten. Für mehrere Monate am Stück lässt er seine Frau und zwei Kinder zurück, um seine Familie besser unterstützen zu können. „Ich hab’ ihn sehr vermisst“, erinnert sich Sabine. Sie erlebt das, was unzählige Kinder erleiden müssen: Trennung und Einsamkeit.
Je öfter ihr Vater nach Deutschland fährt, desto mehr hat er das Gefühl, dass Gott nicht nur ihn, sondern die ganze Familie für eine Umsiedlung nach Deutschland vorbereitet. Auch christliche Freunde haben den Eindruck, dass die Zukunft der Familie in Deutschland liegt. Doch die Mutter will davon nichts wissen. Lettland war ihr Zuhause, hier hatten sie Freunde und Familie. Warum sollten sie umziehen?
Plötzliche Armut
Doch dann verliert Sabines Mutter ganz unerwartet ihren Job. Das relativ gute Leben wird plötzlich in seinen Grundfesten erschüttert. Zusätzlich verlieren sie durch Missverständnisse einige Freunde. Die nächsten Monate sind hart. Obwohl Sabine noch sehr jung ist, merkt sie, wie schwierig diese Zeit ist. Das Geld, das ihr Vater in Deutschland verdient, hilft, doch reicht vorne und hinten nicht.
An Geschenke ist in dieser Zeit natürlich nicht zu denken. Doch dann werden Sabine und ihr Bruder zu einer Kinderweihnachtsfeier in ihrer Gemeinde eingeladen.
Am Ende werden Schuhkartons von „Operation Christmas Child“ (bei uns als „Weihnachten im Schuhkarton“ bekannt) verteilt und die Kinder können ihre Augen von den vollgepackten Geschenkpäckchen kaum abwenden. Sabine findet in ihrem Schuhkarton neben Spielzeug, Malsachen und einem Kuscheltier auch eine Barbie – ein Geschenk, das sich ihre Eltern zu diesem Zeitpunkt niemals hätten leisten können.
Ganz besonders ist auch der Brief, den die Dreijährige in ihrem Schuhkarton findet. Ihre Tante übersetzt den Brief aus Amerika für das kleine Mädchen, das kaum glauben kann, dass jemand ein Geschenk extra für sie gepackt hat. Es scheint, als würde Gott ihr zeigen, dass er ihre Situation nicht aus den Augen verloren hat.
Irgendwann ist auch für die Mutter klar, dass die Situation kaum noch tragbar ist und sie nach Deutschland umziehen müssen.
„Ich erinnere mich, dass sie geweint hat. Es war das einzige Mal, dass ich sie hab weinen sehen“,
erzählt Sabine. Ihre Mutter macht sich auf die 24-stündige Busfahrt nach Deutschland, während die Kinder vorerst bei den Großeltern zurückbleiben.
Im März 2013 zieht dann die ganze Familie endgültig nach Berlin.
Ein neues Leben
Das Leben in Berlin ist neu und wunderbar. „Ich erinnere mich, wie wir in einen Laden gegangen sind und meine Eltern meinten: ‚Such dir aus, was du willst!‘ Ich war schockiert, weil wir uns sowas in Lettland niemals hätten leisten können.“
Dadurch, dass beide Eltern in Deutschland einen Job haben, können sie nicht nur ihre Kinder gut versorgen. „Wir konnten andere Leute bei uns aufnehmen, die monatelang bei uns gewohnt haben“, erzählt Sabine. „Das hätten wir in Lettland nicht gekonnt.“
„Ich habe auch jahrelang gebetet, dass wir eine 4-Zimmer-Wohnung bekommen und jetzt haben wir das. Ich habe mein eigenes Zimmer!“, freut sich die inzwischen Zwanzigjährige.
Eine persönliche Beziehung zu Gott
Doch nicht nur die allgemeinen Lebensumstände sind besser geworden – Sabine hat inzwischen Freunde gefunden und auch eine echte, persönliche Beziehung zu Gott aufgebaut. In der Gemeinde, zu der sie gehört, lernt sie immer mehr über ihren Schöpfer, der noch mehr gute Pläne für ihr Leben hat. „Ich weiß nicht, was in den nächsten Jahren passiert … ich habe ein paar Wünsche und Gott kennt sie“, sagt sie. Sie weiß, dass sie sich von Gott gebrauchen lassen will, denn das Leben mit ihm ist so viel besser, als sie sich jemals hätte ausmalen können.
Und diese Beziehung zu Gott wünscht sie sich auch für andere – und Schuhkartons helfen dabei. Auch wenn sie damals noch zu jung war, um wirklich die ganze Botschaft zu begreifen – ihr Schuhkarton war ein Geschenk aus Gottes Hand. Und weil sie weiß, wie schlecht weiterhin die wirtschaftliche Lage in ihrem Heimatland ist, ermutigt sie andere, Schuhkartons zu packen. „Kinder in Lettland brauchen Schuhkartons“, sagt sie. Denn sie weiß, welch einen Unterschied ein solches Geschenk im Leben eines Kindes haben kann.