Emotionale Heilung nach dem Trauma
Seelsorger unterwegs im Flutgebiet

Während das Chaos der Überschwemmung mit jedem Eimer Schlamm, der von Freiwilligen aus den Kellern herausgetragen wird, übersichtlicher wird, werden Betroffene immer häufiger vom Chaos der eigenen Emotionen eingeholt. Die Flut hat nicht nur Materielles mit sich gerissen, sondern auch Zukunftspläne, Sicherheiten und sogar Familienangehörige und Nachbarn.

Mehr als nur praktische Hilfe ist hier nötig. Deswegen arbeitet Samaritan’s Purse mit To All Nations und Coram Deo  (Institut für biblische Seelsorge) zusammen. Teams mit geschulten Seelsorgern werden mobilisiert, die den betroffenen Flutopfern psychosoziale Erste Hilfe anbieten und sie daran erinnern, dass sie nicht allein oder vergessen sind. Die Häuser werden möglicherweise irgendwann wieder gesäubert und aufgebaut sein – doch das erlebte Trauma kann sich selbst in vielen Jahren noch immer auf das Leben dieser Menschen auswirken.

Praktische Hilfe und barmherzige Seelsorge

„Ich denke, die Seelsorge und die Gespräche haben eine langfristige Wirkung auf die Menschen“, sagt Alexander Becker, Programmkoordinator von Samaritan’s Purse. „Wenn ihr Keller aufgeräumt ist und sich ihr Leben normalisiert hat, werden sie sich daran erinnern, dass es Freiwillige waren, die aufgeräumt haben. Aber zusätzlich zur praktischen Hilfe brauchen ihre Seelen und Herzen seelsorgerische Betreuung, damit der Heilungsprozess beginnen kann.“

Das Programm der biblischen Seelsorge wurde von Coram Deo ins Leben gerufen, um Menschen nach traumatischen Ereignissen ein offenes Ohr und eine helfende Hand zu bieten. Für Samaritan’s Purse passt das Programm sehr gut zu dem biblischen Gleichnis, auf dem die Vision unserer Organisation gegründet ist.

„Wir stützen uns auf biblische Prinzipien und der barmherzige Samariter ist ein großartiges Beispiel dafür, wie man sich in Krisensituationen verhalten sollte“, erzählt Alexander. „Der barmherzige Samariter geht direkt zu der Person, die sich in der Krise befindet, spricht mit ihr und bekommt ein Gefühl dafür, was sie braucht und was die nächsten Schritte sind. Und nachdem er seine Arbeit getan und seine Hilfe geleistet hat, stellt er die Verbindung zu Dritten (Berater und Seelsorger) her, die für die nächsten Schritte gebraucht werden.“

Diese Menschen setzen sich mit den Betroffenen zusammen und geben ihnen die Zeit und den Raum, das zu verarbeiten, was sie durch die Flutkatastrophe durchgemacht haben ‒ den Verlust ihres Hauses, den Verlust von Freunden und Familie und für viele auch den Verlust des Glaubens.

Seelsorger Jakob Görzen erzählt die Geschichte eines Ehepaars, das mit ansehen musste, wie mehrere seiner Nachbarn durch die Fluten ums Leben kamen. „Die Nachbarn konnten sich nur noch auf einen Baum retten, aber auch für sie kam jede Hilfe zu spät ‒ sie wurden mitgerissen und tot aufgefunden“, berichtet Jakob. „Die Frau erzählte, es sei sehr schwer, wenn man die Bilder der Menschen im Kopf hat und weiß, dass man sie nie wiedersehen wird.“

Mit seiner langjährigen Erfahrung ist der Dozent des Bibelseminars Bonn in der Flutregion unterwegs, nimmt sich Zeit, sich zu den Menschen zu setzen und ihnen einfach zuzuhören, während sie ihre Situation verbal verarbeiten. „Ich glaube, dieser Frau hat es sehr gut getan, dass sie es endlich jemandem bei einem warmen Kaffee und etwas zu essen erzählen konnte“, sagt Jakob.

Eine andere Seelsorgerin aus dem Team erzählt: „Eine der betroffenen Frauen hatte so viel Hunger und war so fertig, weil sie seit Tagen nichts gegessen hatte, auch ihr Hund nicht. Ein paar der Ehrenamtlichen, die gerade auf der Schaufel des Baggers gegrillt haben, boten ihr ein Steak im Brötchen an und hatten auch für den Hund ein Stück Fleisch übrig. Ich habe noch nie so viel Freude über so wenig Essen gesehen.“

 

Hoffnung teilen

Endlich kommen die Familien inmitten ihres Traumas zur Ruhe und ihre Dankbarkeit ist spürbar. Es ist eine Gelegenheit für unsere Teams, die Hoffnung des Evangeliums mit denjenigen zu teilen, die verletzt sind und etwas brauchen, das ihnen Trost und Hoffnung geben kann.

„Eine Frau kam auf uns zu und weinte. Sie weinte vor Dankbarkeit für alle Helfer; sie war sehr erschöpft und strahlte doch so viel Dankbarkeit aus“, erzählt Jakob weiter. „Es ist unglaublich, wie diese Menschen noch so viel Kraft und Dankbarkeit ausstrahlen können. Das gibt einem selber viel Kraft und zeigt, dass man hier genau das Richtige tut.“

Bitte betet weiterhin für die Familien, die sich körperlich und seelisch von den Überschwemmungen im Westen Deutschlands erholen. Weitere Informationen über unsere Hilfe findet ihr auf unser Webseite.

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